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Die Sache Zachopoulos

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Beitrag von sonnyliston22 Di Jan 15, 2008 11:43 pm

15. Januar 2008 Ein Video, auf dem sich ein dicker alter Mann mit einer adretten, sehr viel jüngeren Frau im Bett vergnügt - für den größten Politskandal, den Griechenland seit Jahren erlebt, wäre dieses Heimvideo mit kompromittierenden Bildern des Kultur-Staatssekretärs Christos Zachopoulos wohl nicht ausreichend gewesen. Erst als sich der offenbar mit den Sexaufnahmen erpresste Politiker, der verheiratet ist, vor Weihnachten aus dem vierten Stock seiner Athener Wohnung stürzte und seither mit schwersten Knochenbrüchen in der Intensivstation liegt, redet das ganze Land über nichts anderes mehr als die „Sache Zachopoulos“.

Losgetreten hat den Skandal eine einstige Untergebene des Kulturpolitikers, die Archäologin Evi Tsekou. Die rotgefärbte Enddreißigerin hatte ihren Vertrag mit dem Ministerium nicht verlängert bekommen und dann mit dem obersten Chef eine Affäre begonnen - ein Klassiker wie aus einem Schundroman. Im Land der klassischen Altertümer dagegen wächst sich die Story um Sex, Lügen und Videos immer mehr zu einer Regierungskrise aus, weil die inkriminierte, dem Regierungssprecher zugespielte DVD offenbar auch intime Geständnisse von Zachopoulos über korrupte Immobiliengeschäfte mit geschützten Kulturgrundstücken bloßlegt.

Rund hundert Stunden Sex

Tsekou sitzt inzwischen mit einer Anklage wegen Erpressung im Gefängnis und weist alle Vorwürfe zurück; allerdings habe sie aus der Handtasche heraus Aufnahmen der arkadischen Stündchen mit dem hochrangigen Politiker angefertigt - dem Vernehmen nach rund hundert Stunden Sex. Nun sagen Mitarbeiter des Kulturministeriums aus, sie habe bei einem Besuch von Zachopoulos zweihunderttausend Euro für die DVD gefordert. Der Politiker, der als oberster Hüter der griechischen Antike gerne als Ethiker auftritt und wiederholt die Rückgabe der Elgin-Marbles aus England forderte, muss danach in Panik geraten sein, weil er um erheblich mehr als seinen moralischen Ruf zu bangen hatte.

Immer wieder werden in Griechenland Gerüchte laut, Politiker hätten eine laxe Hand bei der Ausweisung von begehrtem Bauland, das sich in Nationalparks oder in direkter Umgebung antiker Ausgrabungen befindet. Auch Zachopoulos war für solche lukrativen Umwidmungen kritisiert worden. Villen-Grundstücke mit Sicht auf Ruinen sind - für Privathäuser oder für den Tourismus - auch darum besonders begehrt, weil die alten Griechen für die malerische Lage ihrer Kultstätten stets einen sicheren Blick hatten. Viele der schönsten Landschaften Griechenlands sind so eigentlich gesetzlich vor Verbauung geschützt. Doch nun weisen Enthüllungen griechischer Medien auf Millionen von Euro Schmiergeldzahlungen für illegale Baugeschäfte hin und sprechen von schlimmem Postenschacher gerade im Kulturministerium.

Er lässt sich gerne feiern

Zachopoulos, ein alter Fahrensmann der Konservativen Partei, führte dieses prestigiöse Portefeuille de facto für Ministerpräsident Karamanlis, seit dieser 2004 die Kultur in Personalunion übernahm. Zachopoulos lässt sich gerne feiern, etwa im vorigen April in Thessaloniki, als in einer byzantinischen Feierstunde die Europäischen Theaterpreise vergeben wurden und der Politiker höchstselbst beim Gastspiel des Berliner Ensembles mit den Bühnenschaffenden für die Kameras posierte.

In die Zuständigkeit des Staatssekretärs fallen aber auch Fragen von größter nationaler Bedeutung, so der Transport der klassischen Phidias-Friese und vieler Skulpturen in einen Museumsneubau am Fuße des Akropolishügels - eine heikle logistische Prozedur, die mit Millionenaufwand über einen speziellen Fahrstuhl läuft. Dass die Arbeit der Kulturbehörde indes nicht reibungslos verläuft, erwies sich im Sommer, als bei den verheerenden Waldbränden auf der Peloponnes auch die Stätten des antiken Olympia vom Feuer umzingelt worden und von der Vernichtung bedroht waren. Damals warf man explizit dem Kulturministerium Sorglosigkeit, wenn nicht Kumpanei mit Projektentwicklern vor. Im Licht des Skandals bekommen solche Spekulationen nun ein ganz anderes Gewicht.

Zäh auf dem Posten

Ob nun die Verschwörungstheorien stimmen, die Waldbrände hätten mit landgierigen Hoteliers zu tun, oder ob schlichte Schlamperei im Spiel war - Zachopoulos blieb zäh auf dem Posten. Trotz aller Kritik ließ Karamanlis seinen engen Vertrauten erst fallen, als die Sex-DVD bekannt wurde. Polizeiliche Ermittlungen im Zusammenhang mit den Bildern haben nun ergeben, dass man nachträglich mehrere Stellen des Materials gelöscht hat - was den Spekulationen über mögliche kriminelle Verwicklungen naturgemäß Tür und Tor öffnet.

Die tragische Hauptfigur des Skandals, gegen die nun staatsanwaltliche Ermittlungen wegen illegaler Verwendung von Regierungsgeldern laufen, ist auf lange Zeit nicht vernehmungsfähig. Doch als wäre dies nicht genug, hat sich Anfang Januar auch der Anwalt von Evi Tsekou, Iraklis Koutelidas, vor einen Lastwagen gestürzt und liegt seinerseits mit lebensgefährlichen Verletzungen im Spital. In einem Abschiedsbrief ließ Koutelidas - auch er ein Bekannter des Miniterpräsidenten - wissen, er wolle nicht als Sündenbock bei einer Erpressung dastehen.

Es klingt wie Hohn

Das Vertrauen in Ministerpräsident Karamanlis, der erst im Herbst trotz der Brandkatastrophe überraschend wiedergewählt worden war, ist begreiflicherweise in Umfragen abrupt gesunken. Seine Bekundungen, sich - etwa im Namensstreit mit Mazedonien - gegen die Konkurrenz rechtsradikaler Parteien als Hüter kultureller griechischer Identität einzusetzen und die Korruption nachhaltig zu bekämpfen, klingen angesichts des Skandals in seiner engsten Umgebung wie Hohn. Ein paar Tage vor dem Suizidversuch von Zachopoulos musste Sozialminister Vassilis Manginas zurücktreten, weil er illegal indische Einwanderer im Haushalt beschäftigt hatte und seine Luxusvilla mit einer gefinkelten Baugenehmigung errichten ließ.

Regierungssprecher Andrianos will den Namen des Journalisten bekanntgeben, von dem die folgenreichen Videos mit Zachopoulos stammen. Bei einer Konferenz in der Athener Philharmonie zum Thema „Staat und Korruption“ bot am Montag der aktuelle Skandal den Orgelton, denn etwas Hilfestellung zur Bekämpfung der Bestechlichkeit - und zum Schutz der antiken Kulturgüter - könnte der traurige Sex-Skandal immerhin bieten. Die ominösen, nicht vom Parlament kontrollierten Reptilienfonds, mit denen Ministerien bisher undurchsichtige Zusatzausgaben abdecken können, sollen nun vom Parlament verboten werden.

http://www.faz.net/s/Rub117C535CDF414415BB243B181B8B60AE/Doc
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